Golf, der achte: Der Klassiker als Digital-Device

VW GOLF 8

Ein Golf ist ein Golf, bleibt ein Golf und wird immer ein Golf bleiben – dieser Satz gehört mit der achten Golf-Generation zu den klassischen Irrtümern unserer Zeit. Denn der neue Golf hat mit seinen Vorgängern fast nur noch vier Räder, den Namen und die formale Grundsubstanz gemeinsam. Klar, beim Fahren zeigt er weiterhin die typische Golf-Qualitäten. Aber noch nie war ein neuer Golf so neu.

Was wir schon bei der Vorstellung geschrieben haben, drückt eigentlich alles aus, was es zu sagen gibt: Der Sprung in die digitale Welt im neuen Golf ist ein riesiger Schritt für VW und ein gigantischer Sprung in Sachen Technologie-Demokratisierung. Wer hier einsteigt, ist in der Welt der schalterfreien Benutzeroberflächen und in faszinierenden Ansätzen künstlicher Intelligenz im Automobil angekommen.

Digitalisierung als haptisches Erlebnis

Als 2005 Gerüchte aufkamen, dass Apples neues Telefon keine Tasten mehr aufweisen würde, konnte sich kaum jemand vorstellen, wie das gehen sollte. Als es noch keine Smartphones gab, Touchscreens in den Kinderschuhen steckten, schien für jede Funktion in einem Automobil ein Schalter oder Knopf notwendig zu sein. Im neuen Golf

Geschärftes Design, aber immer noch ein Golf

der achten Generation wird die Digitalisierung sicht- und sprichwörtlich tastbar. VW spricht zu Recht von einer „Displaylandschaft“. Natürlich gibt es ähnliche Innenräume auch in anderen Fahrzeugen, aber nirgendwo sonst ist der Sprung in die Digitalisierung so deutlich wahrnehmbar wie im neuen Golf.

Alle digitalen Details zu nennen, würde diese Website sprengen. Dass der neue Golf 8 den Erfolg der 35 Millionen Gölfe seit 1974 weiterführen wird, daran kann nicht gezweifelt werden. Wir werden an dieser Stelle bald schreiben können, wie sich dieser digitale Golf fährt. Auf jeden Fall in die Zukunft.

Und da sind wir jetzt nach ein paar tausend Testkilometern angekommen: Unsere Er-Fahrungen decken sich bis ins Detail mit unseren Erwartungen an diesen High-Tech-Klassiker: Er fährt sich großartig, ist noch sparsamer geworden und verblüfft mit seinen digitalen Qualitäten, die allerdings eine gewisse Technologie-Offenheit erfordern. Wer mit einem smart-Phone Probleme hat, dürfte skeptisch sein, muss es aber nicht bleiben.

Wer dieser recht massiven Digitalisierung unvoreingenommen gegenüber tritt, wird sich bald daran gewöhnt haben, Funktionen fast nur noch per Touchscreen abrufen zu können. Digitalisierung in dieser Konsequenz mag polarisieren, aber wer sie vorurteilsfrei nutzt, wird bald nicht mehr drauf verzichten wollen. Auch wenn es viele geben wird, die den Knöpfen und Schaltern nachtrauern.

Digital-Cockpit signalisiert  Zukunft, „Ambient lighting“ im neuen Golf:

Auch mir ist es so ergangen, dass ich mir z.B. den Lautstärke-Regler fürs Radio lieber als Drehknopf gewünscht hätte. Schnell habe ich mich an den virtuellen Regler oder an die Bedienung am Lenkrad gewöhnt. Alles ist einfach eine Frage der Gewöhnung. Und weil zweifellos auch ältere Menschen ein smartphone bedienen können, dürfte das kein Problem sein.

Dass die Sprachfunktion und entsprechende Wünsche des Fahrers nicht immer verstanden werden und mehrfach wiederholt werden müssen, ist der noch nicht vollständig fertigen Entwicklung solcher Systeme geschuldet. Man muss sich sehr deutlich ausdrücken, um verstanden zu werden. Dann aber spurt das System. Verblüffend ist es z.B., wenn das System die Frage „Wo kann ich tanken?“ mit mehreren Tankstellen auf dem Display antwortet.

Die Display-Logik ist beeindruckend logisch

Die Menüs auf dem Bildschirm sind optisch sehr gut organisiert, sie entsprechen logischer Handhabung und lassen sich darüber hinaus noch individualisieren. Zum ersten Mal lassen sich Extras per Download nachrüsten. Das ist wirklich sensationell. Wer sich bei der Bestellung auf ein Navigationssystem verzichtet hat, wer die automatische Abstandsreglung ACC oder die Verkehrszeichenerkennung vergessen hat, kann diese Extras gegen Aufpreis online nachrüsten, weil die Hardware bereits serienmäßig verbaut ist. Das ist wirklich ein digitaler Durchbruch.

Cockpit im Golf 8: konsequent digital

Ein ganz großer Sprung in die Zukunft ist zweifellos die Kommunikationsfähigkeit des Golf mit anderen Fahrzeugen. „Car2X“ heißt der Begriff, hinter dem sich ein System verbirgt, das im Umkreis von 800 Metern mit anderen entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen Informationen austauschen kann: Hat ein Fahrzeug Glatteis detektiert, einen Unfall oder Stau, gibt es diese Informationen via W-lan weiter. Die Autohersteller haben sich auf einen einheitlichen Standard geeinigt, so dass nicht nur Volkswagen miteinander „reden“ können, sondern alle entsprechend ausgerüsteten Fahrzeuge. Dieses System ist ein gigantischer Schritt in mehr Verkehrssicherheit. Wenn Car-to-X auch mit Ampeln „kommunizieren“ kann, wird der Verkehrsfluss in Echtzeit steuerbar, d.h. flüssiger.

Das Fahrverhalten ist typisch Golf – nur viel besser

Und das Fahren? Es fühlt sich im positiven Sinn „golfig“ an. Unser Eindruck dabei ist, dass der 8.Golf im Vergleich zum

Ein schöner Rücken kann auch entzücken                        Alle  Fotos: VW

Vorgänger nicht nur optisch, sondern auch fahrerisch knackiger geworden ist, die Lenkung spurt präziser und die Komfortnote ist in Richtung sportlicher Federung und Dämpfung abgebogen. Alles zusammen also ein Fahrverhalten, wie wir es vom Golf seit seiner Einführung gewohnt sind – nur viel besser. Die adaptive Fahrwerksregelung DCC (1045 Euro) ermöglicht es, zwischen komfortabler, sportlicher und normaler Fahrwerkabstimmung zu variieren. Allerdings muss man schon sehr sensibel sein, um die unterschiedlichen Modi zu spüren.

Der von uns getestet 2.0 Liter Diesel mit seinen 150 PS und dem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe machen diesen Golf zu einem durchaus temperamentvollen Sparer, bei dem unser Test-Verbrauch im Schnitt zwischen 4,6 und 5,2 Liter Diesel auf 100 Kilometer schwankte. Was uns sparsam erscheint, nein, was nach heutigen Maßstäben sparsam ist, ist immer noch weit entfernt von den EU-Grenzwerten: 4,6 Liter pro 100 km bedeuten immer noch einen spezifischen CO2-Ausstoß von 122 g/100 km. Die EU verlangt aber einen Flottenwert von 95 g/100 km. Der Golf dürfte also nur 3,6 Liter Diesel auf 100 km verbrauchen, um den Flottenwert zu erreichen. Allein diese Rechnung zeigt, dass der Flottendurchschnitt eines Herstellers nur mit Elektroautos zu erreichen sein wird, die mit null CO2 in die Rechnung eingehen, obwohl der durch Kohle erzeugte Strom mit seinem CO2-Ausstoß aus dem E-Auto immer noch einen CO2-Sünder macht, was aber einfach ignoriert wird.

Was uns nicht gefallen hat: Beim Anfahren vergeht ein irgendwo im Doppelkupplungsgetriebe verschwundener Sekundenbruchteil, der sich zuweilen als störend erweist. Zum Beispiel wenn man schnell starten will, um eine Lücke im Verkehrsfluss zu erreichen.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass der neue Golf der beste Golf aller Zeiten ist. Die Zukunft nicht mitgerechnet.

VW Golf 8 Highline 2.0 TDI 150 PS 7-Gang DSG

AbgasnormEuro 6d-TEMP
Hubraum1.968 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder4 in Reihe
Maximale Leistung kW / PS110 kW/ 150 PS bei 3.500 – 4.000 U/min
Max. Drehmoment360 Nm bei 1.750 – 3.000 U/min
Getriebe7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Beschleunigung 0-100 km/h8,8 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit223 km/h
Test-Verbrauch real auf 100 km4,6 – 5,2 Liter
Länge / Breite / Höhe4.284 / 1.789/ 1.456 mm
Grundpreis35.065 Euro

 

 

1 Kommentar zu "Golf, der achte: Der Klassiker als Digital-Device"

  1. „Wer ein Smartphone bedienen kann…“: Die Digitalisierung mag manchen Vorteil haben. Aber es schließt auch Käufergruppen aus. Ein guter Freund in den 70igern wollte seinen alten SL durch den neuen SL ersetzen. Er hat bei der Probefahrt festgestellt, dass er durch seinen leichten Tremor nicht in der Lage sein wird, während des Fahrens die Einstellungen über die Touchscreens zu bedienen. Er fährt nun seinen alten SL weiter. Auch finde ich die Bedienung über Touchscreens oft sehr ablenkend. Bei Seekartenplottern ist man mittlerweile wieder auf eine 2. manuelle Bedienmöglichkeit zurückgekehrt.

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