Autobild als Panikmacher: Vergiften wir uns wirklich selbst?

Der VW-Skandal hat überall schlafende Hunde geweckt. Nun ist es nicht so, dass das Fälschen von Abgaswerten zu den förderungswürdigen Aktionen gehören darf. Aber dass nun viele so tun, als hätten sämtliche Autohersteller einen Giftgas-Angriff auf die Menschheit gestartet, ist nicht nur übertrieben, sondern nicht mal in Sichtweite der Fakten angesiedelt.
„Wir vergiften uns selbst“, überschreibt Autobild eine Geschichte, die durchaus wissenschaftlich begründet und glaubwürdig daherkommt. Gemessen wurde die NO2-Belastung im Fahrzeuginnenraum. NO2 (Stickstoffoxid), nicht zu verwechseln mit NOx (Stickoxid), ist ein Reitzgas, das Augen und Atemwege belastet.

Das komplexe Thema ist der Redaktion irgendwie entglitten

Die Autobild-Story bemüht sich, dem Leser die Gefährdungslage im Auto näher zu bringen. Doch bei aller Mühewaltung hat die Geschichte ein paar gravierende Mängel, obwohl die Messungen zusammen mit dem Heidelberger Institut für Umweltphysik gemacht wurden. Das komplexe Thema ist der Redaktion irgendwie entglitten, weil die Parameter nicht wissenschaftlich exakt zusammengesetzt worden sind. Auf gut Deutsch: Es wurden Äpfel mit Birnen verglichen.

Polemik ist nicht angebracht
Dass in einem Kommentar die Autoindustrie kritisiert wird, „einer Autolobby, die alles Mögliche im Sinn hat, nur nicht unsere Gesundheit“, setzt dem Ganzen die Krone auf. Auch Auto-Manager haben eine Familie, Kinder, Angehörige, die sie sicher nicht vergiften wollten. Dass die „Autolobby“ so über Gesundheitsinteressen hinweg gehen soll, ist bitterböse Abgas-Polemik, wie wir sie eher von der Deutschen Umwelthilfe erwarten und tolerieren würden. Autobild sollte bei aller berechtigten Kritik aber sachlich bleiben.
Wir haben den VDA um eine Stellungnahme gebeten, die wir hier zitieren:

Verglichen wurden Äpfel mit Birnen

„Die Gesundheit der Bevölkerung – und insbesondere die der Autofahrer – ist für die Automobilindustrie seit jeher ein hohes und schützenswertes Gut. Die in Autobild veröffentlichten Messergebnisse wirken auf den ersten Blick überraschend. Der VDA wird sich in seinen zuständigen Gremien damit beschäftigen, insbesondere mit der Messmethodik.
Luftqualität und Schadstoffemissionen gehören seit vielen Jahren zu den Kernaufgaben des VDA. Eine erste Überprüfung der im Artikel veröffentlichten Messergebnisse zeigt: Zur Besorgnis besteht für Autofahrer kein Anlass. Denn Autobild vergleicht bei den Stickoxid-Emissionen Äpfel mit Birnen. Für den als Referenzgröße erwähnten gesetzlich vorgeschriebenen NO2-Jahresgrenzwert (40 µg/m³) wird die Luft kontinuierlich Tag und Nacht an sieben Tagen die Woche und das über ein ganzes Jahr hinweg gemessen. Dabei gleichen sich höhere NO2-Werte mit niedrigeren aus.

Den Durchschnittswert kann man nicht in kurzer Zeit ermitteln
Das von Autobild beauftragte Heidelberger Institut für Umweltphysik (IUP) hingegen hat nur einige wenige Stunden im Auto messen lassen – und vergleicht diese wenigen Stundenspitzen dann mit einem NO2-Jahresdurchschnittswert von 40 µg/m³, der sich auf alle 8760 Stunden eines gesamten Jahres bezieht. Dieser Jahresmittelwert und die dazugehörigen Messmethoden einschließlich der Messdauer gehören aber zusammen. Ein beliebiges Herausgreifen eines Wertes ist daher methodisch falsch. Die von Autobild ermittelte dauerhafte NO2-Konzentration im Innenraum (91 µg/m³ im belebten Stadtverkehr, 156 µg/m³ auf der Autobahn) liegt jeweils deutlich unter dem gesetzlich vorgegebenen Stunden-Grenzwert von 200 µg/m³. Bei den Höchstwerten stellt sich die Frage, wie lange diese auftraten.
Was Autobild im Artikel nicht erwähnt, aber auf Anfrage bestätigte: Die gemessenen NO2-Werte der Umgebungsluft waren ähnlich hoch oder zum Teil leicht höher als die im Fahrzeug gemessenen NO2-Werte. Damit wird die unter Experten seit langem bekannte Grundannahme bestätigt, dass die Luftwerte im Innenraum bei üblicher Einstellung der Fahrzeuglüftung ähnlich hoch sind wie die der Umgebungsluft. Übrigens: Für Berufskraftfahrer, die sich den ganzen Arbeitstag auf der Straße aufhalten, gilt ein erst kürzlich neu festgelegter Arbeitsplatzgrenzwert von 950µg/m³ NO2.“
Das ist sogar zehn mal so hoch wie die gemessene Stadt-Dauerbelastung bei Autobild. Also kein Grund zur Panik(mache!).

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