Wird Dieselgate auch noch zum Insiderhandel-Skandal?

Wenn stimmt, was Bild am Sonntag am 14.2. berichtet, dann werden noch mehr Top-Manager des Volkswagenkonzerns um ihre Jobs fürchten müssen. Selbst der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch ist wahrscheinlich nicht mehr zu halten, weil er es nach vorliegenden Dokumenten lange versäumt hat, die für den Aktienkurs relevante Kenntnis vom Diesel-Skandal per pflichtgemäßer ad-hoc-Mitteilung sofort zu veröffentlichen. „Ein Finanzvorstand, dem ein solch grober Verstoß gegen das Aktienrecht vorgeworfen und nachgewiesen wird, kann nicht als Aufklärer den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden bekleiden.“ So einhellig die Meinung von Compliance-Experten.

Pötsch kann ich nicht damit herausreden, dass die Folgen für den Konzern erst am 22. September 2015 sichtbar geworden wären. Spätestens am 5. August war klar, dass der Skandal für den Aktienkurs verhängnisvoll werden würde. VW-Markenchef Herbert Diess verlangte nach einer Krisensitzung am 25. August Vorschläge, wie VW mit dem Abgasbetrug umzugehen gedenke. Hier muss die Frage erlaubt sein, warum er als Markenvorstand nicht selbst Vorschläge gemacht bzw. entschieden hat, wie die Marke Volkswagen das Thema behandelt. Finanzvorstand Pötsch hielt es aber noch immer nicht für nötig, die Aktionärsöffentlichkeit zu informieren. Nicht einmal als die US-Behörden am 18.9. den Betrug selbst veröffentlichten. Als Pötsch am 22.September die längst überfällige ad-hoc-Meldung veröffentlichte, mussten die Aktionäre über Nacht einen Verlust von 27 Milliarden Euro verzeichnen. Dies wird sicher unabhängig vom Diesel-Skandal Folgen haben. „Das kostet Pötsch den Kopf“, ist sich ein VW-Insider sicher. Allerdings ist die Verletzung der Mitteilungspflicht kein Straftatbestand, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit.

An diesem Szenario kann eigentlich auch die neue und eigens zur Diesel-Aufklärung von Daimler abgeworbene Compliance-Vorständin im Volkswagenkonzern, Christine Hohmann-Dennhardt nicht vorbei gehen. Die ehemalige Bundesverfassungsrichterin kann natürlich nicht entscheiden, wer im Aufsichtsrat den Vorsitz hat. Der hat sie schließlich mit eingestellt. Aber sie kann auch nicht wegsehen, wenn offensichtliche Verstöße gegen Compliance-Regeln sichtbar werden. Sie dürfte sich zur Zeit nicht wohl fühlen in ihrer Rolle mit der Verantwortung, dass im VW-Reich alles nach Recht und Gesetz abgewickelt wird. Obwohl das alles vor ihrer Zeit passiert ist, muss sie jetzt mit dafür sorgen, dass auch das Fehlverhalten des damaligen Finanzvorstands aufgearbeitet wird. Es geht letztendlich um Glaubwürdigkeit, die jeden Tag mehr zu wünschen übrig lässt.

Dass Pötsch nun Vorsitzender des Aufsichtsrats und quasi ihr Chef ist, darf Hohmann-Dennhardt nicht davon abhalten, in Sachen Compliance durchzugreifen. Dazu kommt sicher die Frage, wer vor der Ad-hoc-Meldung als Insider noch große Aktienpakete verkauft hat. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat bereits im September Witterung aufgenommen. Die Behörde prüft seit Bekanntwerden des Skandals im September letzten Jahres: Haben VW-Verantwortliche vor der Öffentlichkeit von den Unregelmäßigkeiten gewusst und sich möglicherweise in großem Stil von VW-Aktien getrennt, bevor Privatanleger ihre Anteilsscheine verkaufen konnten? Anders als eine verspätete ad-hoc-Mitteilung ist Insiderhandel eine Straftat und mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren bedroht.

Die BaFin-Sprecherin Anja Schuchardt antwortete mir auf eine entsprechende Anfrage am 15.2.: „Ich kann Ihnen dazu mitteilen, dass unsere Untersuchung, ob VW die Vorgaben zur Ad-hoc-Publizität eingehalten hat, andauert. Auch unsere routinemäßige Analyse des Handels in VW-Papieren in Bezug auf Insiderhandel und Marktmanipulation läuft weiter. Wir planen, unsere Untersuchungen zügig abzuschließen. Aufgrund des einzuhaltenden verwaltungsrechtlichen Verfahrens, aber auch mit Blick auf die Komplexität des zugrunde liegenden Sachverhalts werden die Untersuchungen jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Mit einem Untersuchungsergebnis ist sehr wahrscheinlich erst in einigen Monaten zu rechnen. Weitere Informationen kann ich Ihnen leider nicht geben.“

Bild am Sonntag schreibt: „Die brisanten Dokumente, die Bild am Sonntag vorliegen, legen nahe, dass VW-Manager in der Abgasaffäre jahrelang getrickst und vertuscht haben.“ Die Zeitung mokiert sich darüber, dass der Konzern bis heute nicht offengelegt habe, „wer für den Betrug wirklich verantwortlich war und wann die Chefetage darüber informiert wurde… Ex-Vorstandschef Winterkorn und sein langjähriger Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch waschen ihre Hände in Unschuld: nichts gehört, nichts gesehen, nie darüber gesprochen“.

Wenn sich bestätigen sollte, dass Martin Winterkorn schon im Mai 2014 von seinem Vertrauten Bernhard Gottweis informiert wurde, dass die Stickstoffwerte bei Messungen der US-Behörden das Limit um das 35-fache überschritten hätten und der Verdacht einer Betrugs-Software bereits im Raum stand, stellt sich die Frage der Verantwortung nicht mehr. Winterhorn hätte sofort eingreifen und auf die US-Behörden zugehen müssen. Wiko habe gegenüber der US-Anwaltskanzlei Jones Day zwar eingeräumt, im Mai 2014 von überhöhten Abgaswerten erfahren, von einer Manipulationssoftware aber keine Kenntnis gehabt zu haben. Wenn er davon erfahren hätte, dann hätte er sofort eingegriffen, soll er im Gespräch mit der Kanzlei gesagt haben. Tatsächlich habe Winterkorn nur erfahren, dass die US-Behörden nach einem „Defeat Devise“, einer Manipulationssoftware suchen könnten. Dass sich Winterkorn die Frage bei seinen Ingenieuren verkniffen haben soll „Benutzen wir eine solche Software?“, ist schwer nachvollziehbar. Zumal da sich Winterkorn mit jedem kleinsten Detail seiner Autos quasi geduzt haben soll.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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