Muss das Automobil wirklich neu erfunden werden?

Wenn man sich die IAA-Reden so zu Gemüte führt, hat man den Eindruck, also ob das Auto als mechanisches Verkehrsmittel abgeschafft und wir bald als e-mail, jedenfalls digital auf Reisen gehen. Das ist natürlich Unsinn. Wir werden auch in ferner Zukunft nicht an unser Ziel gebeamt, sondern fahren weiterhin in immer besseren, immer sichereren und uns fahrerisch mehr und mehr entlastenden Automobilen. Irgendwann sogar unfallfrei.

Aber ist es tatsächlich ein „historischer Umbruch“ (VW-Chef Martin Winterkorn), wenn die totale Vernetzung des Autos mit seiner Umwelt fortschreitet und der Daten-Tsunami kontrolliert und gegen Missbrauch geschützt werden will? Ich glaube nicht an die auch von Daimler-Chef Dieter Zetsche immer wieder proklamierte „Neuerfindung des Automobils“, die so spektakulär klingt, als könnten wir die fast 130 Jahre Automobil-Geschichte auf den Schrott werfen.

 

Haben wir die Kommunikation neu erfunden, nur weil das Fax oder e-mail kamen? Wir kommunizieren zwar anders, aber es ist immer noch eine zwischenmenschliche Kommunikation. Es hat sich zwar alles verändert, aber es ist alles beim alten geblieben, könnte man sagen. Vielleicht geht es schneller, eine sms zu verschicken, als einen Brief zu schreiben, aber die Botschaft wird die gleiche sein. Aufs Auto übertragen heißt das: Wir werden (hoffentlich) noch in vielen Jahren automobil unterwegs sein, ohne das Auto neu erfunden zu haben. Die technologische Weiterentwicklung allerdings hat eine atemberaubende Geschwindigkeit angenommen.

Für viele Ingenieure ist die aktuelle Phase hektischer Betriebsamkeit der immer schneller werdenden technologischen Entwicklung geschuldet, nicht einer Art Neuerfindung. Computer werden immer schneller, die Software bietet immer schneller immer mehr Möglichkeiten, alles zu entwickeln, was denkbar ist. Nach dem Motto, was denkbar ist, das ist auch machbar, wird auch Unsinniges entwickelt. Ob die im BMW 7er eingeführte und auch bei anderen Herstellern dräuende Gesten-Steuerung der Weisheit letzter Schluss ist, wird der Markt entscheiden. Die imaginären per Geste gedrehten Knöpfe erinnern mich stark an das Spielen einer Luftgitarre. Irgendwie sieht das ein bisschen albern aus. Da ist mir das zielgenaue Berühren der Lautstärke-Regelung am Lenkrad oder auf der Mittelkonsole einfach lieber und es scheint mir effizienter zu sein. Denn nicht immer versteht das System, was ich gerade gestenreich signalisiere.

Die allen Herstellern gemeinsam gewordene Sprachregelung von der Neuerfindung des Automobils versucht eigentlich nur, zu erklären, dass die Weiterentwicklung des Autos ein atemberaubendes Tempo angenommen hat. Ob autonom fahrend oder dem weltweiten Internet verbunden, ob satellitengesteuert oder per Laser eingeparkt, ob elektrisch angetrieben oder per Verbrennungsmotor: Das Auto muss nicht neu erfunden werden. Wenn es eine Botschaft dieser IAA gibt, dann diese: Die Weiterentwicklung der individuellen Mobilität bleibt spannend, das Autofahren faszinierend.

 

 

 

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