Fragen Sie Ihren Freund, Nachbarn oder Tankwart, wer den VW Käfer erfunden hat. Mit Sicherheit werden die meisten antworten: Ferdinand Porsche. Ein Irrtum, wie der Journalist Harald Kaiser in seinem lesenswerten Buch „Vor 100 Jahren“ aufgeschrieben hat.
Vor 100 Jahren hatte der Student Bela Barényi seine Idee entwickelt, die später als VW Käfer die Welt erobert hat. Ältere werden das Ereignis womöglich dunkel in Erinnerung haben, Jüngere wohl kaum. 2025 ist es 100 Jahre her, dass der Volkswagen erfunden wurde. Und zwar nicht, wie es manche Lexika oder Geschichtsbücher glauben machen wollen, von Ferdinand Porsche, sondern 1925 von einem weithin unbekannten Mann namens Bela Barényi. Der damals 19jährige Student aus Wien nannte seine Arbeit den „kommenden Volkswagen“. Er hatte auf einem Konstruktionsplan Fahrwerk, Motor- und Getriebeanordung jenes Autos präzise und vor allem weitblickend zu Papier gebracht, das etwa 30 Jahre später als VW Käfer weltberühmt geworden ist und Millionen weltweit mobil gemacht hat.
1954/55 gab es wegen der bis dahin ungeklärten Urheberfrage das entschei-dende Urteil. Nach mehreren Instanzen sagte die Patentkammer des Landgerichts Mannheim klipp und klar, dass Baréyni und nicht Porsche der Erfinder dieses Automobils ist. Wobei fein zu unterscheiden ist zwischen den Begriffen „Erfinder“ und „Entwickler“. Denn Entwickler war ohne Zweifel Ferdinand Porsche, Erfinder jedoch ist ebenso ohne Zweifel Bela Barényi.
Diese heute nur noch Fachkreisen bekannte Geschichte hat der Autor Harald Kaiser in seinem Buch „Vor 100 Jahren – Die Entstehung des Volkswagens“ zusammengefasst, das es auf AppleBooks für 9,99 Euro als E-Book zu kaufen gibt. Kaiser, mehr als 20 Jahre beim stern als Ressortleiter und Autor tätig, hat mit beinahe wissenschaftlicher Präzision nicht nur Fakten und Dokumente ausgegraben und zusammengestellt, sondern sie auch in eine sehr lesbare Form gegossen.
Geschildert wird in dem Buch nicht nur, welch brutalen Weg Barényi gehen um musste, um zu seinem Recht kommen. Es sind auch die entscheidenden Dokumente abgedruckt, die zu der Entscheidung geführt haben. Also das letztinstanzliche Urteil, die verschiedenen Gutachten (eines vom Bundeskriminalamt) sowie ein Brief der Firma Porsche vom Dezember 1931 an Barényi, in dem ihm auf seine Bewerbung bei Porsche eine Absage erteilt wird.
Pikant ist die Sache aus drei Gründen. Zum einen lag Barényis Darstellung zufolge seiner Bewerbung auch der Konstruktionsplan der Volkswagenidee bei. Wobei unklar ist, ob er mit der Absage seine Unterlagen komplett zurückbekommen hat. Zum anderen gleichen sich die Fahrwerksentwürfe beider Männer verblüffend. Auch das belegt das Buch mit Fotos. Und des Weiteren stellt sich die Frage, ob sich Ferdinand Porsche womöglich an Barényis Idee bedient hat, weil die Ähnlichkeiten frappierend sind? Antwort: Das ist nicht zu beweisen.
Wie immer, Kaisers Buch ist selbst für jene ein Muss, die sich nur oberflächlich für Auto- oder Wirtschaftsgeschichte interessieren.
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