Russland-Sanktionen bremsen deutsche Autohersteller

„Die russische Wirtschaft war schon vor der Krise in einer schwierigen Phase und ist jetzt weiter beeinträchtigt. Das wirkt sich auf den russischen Pkw-Markt aus und damit auch auf Daimler. Im ersten Halbjahr haben wir noch 20 Prozent plus im Russland-Geschäft gemacht, jetzt geht das Momentum nach unten“, sagte Daimler-CEO Dieter Zetsche in einem Interview. Trotzdem sprach sich Zetsche bewusst nicht gegen noch schärfere Sanktionen Richtung Russland aus, sondern betonte: „Es gilt ganz klar das Primat der Politik. Die Wirtschaft hat sich auf die Bedingungen einzustellen, die die Politik setzt ­– unabhängig von den direkten Konsequenzen.“

So meinungsschwach kennen wir Zetsche gar nicht. Dass er mit dem Primat der Politik nicht die russische meint, dürfte klar sein. Aber warum eigentlich billigt Zetsche dieses Primat nicht auch Herrn Putin zu? Die Antwort gibt Zetsche in einem Satz: „Die EU hat uns über 60 Jahre Frieden beschert. Das ist noch wichtiger als die wirtschaftliche Entwicklung. Darum gilt: Frieden und Stabilität sowie jede Maßnahme, die dazu beiträgt, hat Vorrang vor allem anderen.“

Was so souverän klingt, ist in Wahrheit ziemlich kleines Karo offensichtlicher Opportunität. Nicht nur weil Sanktionen noch nie eine Krise entschärft oder gar aus der Welt geschafft haben. Sondern auch deshalb, weil die EU historisch gesehen kein Recht hat, die von eindeutig Rechtsradikalen mitbestimmte Führung in Kiew zu unterstützen. Was sich der Westen einschließlich der USA hier anmaßen, ist ziemlich überheblich. Dieter Zetsche stellt sich völlig unkritisch hinter die Kanzlerin und die EU-Politik, ohne die Interessen seines Unternehmens zu wahren und die der deutschen Wirtschaft deutlich zu machen. Zum Frieden gehört nämlich auch wirtschaftliche Stabilität und ein fairer Interessenausgleich.

Der Abschuss eines Passagierflugzeugs ist ein unglaubliches Verbrechen, die Greueltaten der Rebellen sind unentschuldbar, keine Frage. Und die offensichtlich abgetauchte, jedenfalls blasse und vor allem unfähige EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hält sich aus allem raus. Als im Februar herauskam, dass nicht die Kreise um den abgesetzten Janukowitsch das Blutbad auf dem Maidan angerichtet haben, sondern die damaligen Oppositionellen, die heute in Kiew regieren, stammelte Ashton nur: „„Ich denke, wir wollen eine Untersuchung. Ich meine, ich weiß nicht. Meine Güte.“ Damit hat sie auch die Hilflosig- und Orientierungslosigkeit der EU-Politik entlarvt bzw. treffend beschrieben.

Die Art und Weise, wie sich die EU hinter die Regierung in Kiew stellt, ist mehr als verdächtig. Und die Sanktionen haben den Konflikt nur verschärft. Und Russland verhält sich folgerichtig auch wie ein gekränktes kleines Kind: mit dem Verbot von Importen. Und vielleicht stoppt Putin den Import teurer Autos aus Deutschland ganz. Auch in Richtung Russland sind Zetsches Äußerungen nicht gerade von nachhaltiger Klugheit und strategischer Diplomatie getragen.

Statt Sanktionen das Wort zu reden, formuliert VW-Konzernlenker Martin Winterkorn neutral: „Wir setzen darauf, dass alle in Ost und West das Thema mit Bedacht angehen, ohne dass ein großer Wirtschaftskrieg entsteht“. Seine Mahnung ging an „Ost und West“.

Diese Woche wurde bekannt, dass an ein totales Importverbot von westlichen Fahrzeugen gedacht wird, wie die Zeitung Vedomosti berichtet. Dies träfe vor allem Mercedes-Benz, weil die Tochter AMG sehr auf die russischen Kunden ausgerichtet ist. Ob von einem Importstopp auch BMW betroffen wäre, weil das Unternehmen in Kaliningrad ein CKD-Werk betreibt, ist nicht klar. Denn in Russland gefertigte Fahrzeuge wären von einem Import-Stopp nicht betroffen. Bei einer CKD-Fertigung werden Fahrzeuge aus im Ausland produzierten Einzelteilen zusammengebaut. Ford, Volkswagen, Renault, Toyota und Hyundai unterhalten Werke in Russland, die auch zahlreiche Komponenten dort fertigen. Hier denkt die russische Führung an eine Erhöhung der lokalen Wertschöpfung, was für die CKD-Hersteller ebenfalls problematisch würde.

Weil der russische Automarkt schon vor der Krise in der Ukraine rückläufig war, geht der Verband der deutschen Autoindustrie (VDA) von einem Rückgang des Automarktes um knapp zehn Prozent, was zum Teil wohl auch der drastischen Abwertung des Rubels geschuldet ist.

Fazit: Es bleibt zu hoffen, dass sich die Spirale der Sanktionen und Gegensanktionen nicht weiter dreht, sondern auf beiden Seiten Vernunft einzieht. Wenn die Regierung in Kiew 300 russischen Lkw mit eindeutigen Hilfsgütern die Einfahrt in die Krim verweigert, spricht dies allerdings nicht gerade für Vernunft. Die EU sollte sich gut überlegen, wie weit sie Kiew zu folgen bereit ist und wann der Zeitpunkt da ist, auf Distanz zu gehen.

 

 

 

 

1 Kommentar zu "Russland-Sanktionen bremsen deutsche Autohersteller"

  1. Auf die Einkehr der Venrunft, die so dringend notwendig wäre wartet man bis heute vergeblich und das Primat der Politik hatte außer einer Sanktionsspirale nichts nützliches zur Krisenentschärfung beizutragen, so dass am Ende die Wirtschaft leidet ohne dass die ohnehin nicht wirklich formulierten Zielsetzungen mit der Sanktionspolitik erreicht werden konnten.

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